Masterplan

Es ist Montagfrüh als ich das Krankenhaus wieder betrete. Es ist mir immer noch fremd und ich bin sehr nervös. Während ich mich in mein Bett lege lasse ich das Wochenende Revue passieren. Wir verharren immer noch alle in einer Art Schockstarre. Ich schreibe und erzähle unendlich oft das gleiche, kriege unterschiedliche Reaktionen auf das was in den letzten Tagen passier ist und lebe nach wie vor in einer Blase. Am Sonntag Grillen wir mit all meinen Freunden bei meinen Eltern und gucken das Endspiel Deutschland gegen Argentinien. Wir gewinnen dank Mario G. 1:0 und alle sind aus dem Häuschen, ich bin emotionslos und möchte nur alleine sein. Meine Gedanken kreisen nur um den morgigen Tag. 

Nun ist er da. Während ich nutzlos in meinem Bett im Krankenzimmer liege, kommt plötzlich eine Schwester und bittet mich in die Ambulanz zum Arzt zu gehen. Er freut sich, dass ich „gesund“ wieder da bin und sagt, dass er mich Freitag vermisst hat. Er hätte mir gerne noch das Ergebnis der Untersuchung vom Mrt fürs Wochenende mitgegeben. Leider war ich schon weg. 

Denn auch hier ist alles in Ordnung. Keine Metastasen!

Sofort spricht er weiter, vom morgigen Tag, dem Tag der Operation. Er fragt mich nach meinem Kinderwunsch. Ich bin auch hier wieder überfahren und muss binnen Minuten mein weiteres Leben planen. Kinderwunsch….. Ich entscheide mich dafür, sodass zu dem entfernen des Tumors, dem setzen eines Portkatheters für die anschließende Chemotherapie noch ein Eingriff an den Eizellen notwendig wird. Das ist der Masterplan für den morgigen Tag! Das dass ganz schön viel auf einmal ist, wird mir erst in den kommenden Tagen bewusst. Den restlichen Teil des Tages versuche ich einfach nur zu überstehen, will Abends meine Ruhe und das der nächste Tag nur schnell vorbei ist. Gute Nacht!

Masterplan

Wo ist er

Ich muss sagen, die eigentliche Diagnose ist das eine. Aber die Tage, an denen Untersuchungen gemacht werden, ob Organe oder Knochen betroffen sind, sind schrecklich. Die Angst, dass der Krebs schon im ganzen Körper ist, kann man nicht beschreiben. Erst wenn wir wissen, wo er sich überall befindet, können wir die weitere Vorgehensweise bestimmen.

Zuerst wird das Herz per Ultraschall untersucht. Kein Befund! Dann machen sie die Knochenszintigraphie mit mir. Da ich Blutabnahmen hasse und dafür ein Zugang notwendig ist, hält sich meine Freude in Grenzen. Wenn ich wüsste, wie oft mir in den nächsten sieben Monaten noch an die Venen gegangen wird, wäre ich wahrscheinlich Amok gelaufen. Die Untersuchung wird von zwei Frauen durchgeführt. Beide sind sehr nett und nehmen sich Zeit für mich. Als auch hier die Diagnose alles in Ordnung bekomme, steigt meine Laune weiter. Ich informiere meine Freunde stündlich über meinen Zustand und meine Mutter weicht mir nicht von meiner Seite. Es ist Freitag und die letzte Untersuchung, das MRT steht an. Die Schwester bittet mich mein Piercing im Ohr zu entfernen. Da ich bei sowas zwei linke Hände habe, versuchen ein Arzt, eine Schwester und eine Zange mein Ohr davon zu befreien, allerdings ohne Erfolg. Kurzerhand wird entschieden, dass ich mit dem Geschmeide am Ohr in die Röhre komme und sobald es heiß wird, den Alarmknopf drücken soll. So die Theorie. Man bittet mich, die Brüste in die dafür vorgesehenen Löcher zu legen, dann würde man mich auf der Trage in die Röhre schieben. Ich habe bedenken, denn meine Brust ist viel zu klein für die großen Löcher und sage dem Arzt, dass ich da erst noch reinwachsen muss. Da dies der erste Kontakt mit Radiologen ist, muss ich sagen, es handelt sich hierbei um eine lustige Spezies der Ärzteschaft. Während wir ins Plaudern kommen, schiebt man mich auf dem Bauch liegend in die Röhre. Hier ist es eng und dunkel. Alle verlassen den Raum und weisen nochmal daraufhin, dass der Drücker, den sie mir vorher noch schnell in die Hand gelegt haben, nur im Notfall zu bedienen ist. Zum Beispiel, wenn das Piercing heiß wird;)Während ich da so vor mich hin liege, kommt nach gefühlten 10 Minuten der Arzt wieder rein. Ich freuen mich, dass es schon vorbei ist. Doch der Arzt fängt an zu lachen und entschuldigt sich. Wegen der Aufregung um mein Piercing und die zu großen Löcher für den Busen, hat er die Aufklärung vergessen. Meine Antwort kommt wie aus der Pistole, da ich nicht um diese Untersuchung komme und es hier drinnen in der Röhre zu eng ist für den Aufklärungsbogen, mich und einen Stift ist, bitte ich ihn fortzufahren. Wenn ich fertig bin unterschreibe ich ihm alles: ich schwöre! Jetzt endlich geht es los, es ist laut. Trotz der Kopfhörer höre ich den Krach. Normalerweise gefällt mir der Krach, denn sonst höre ich ähnliche Klänge in einem Club und tanze mit einem Glas Wodka dazu. Endlich, man zieht mich wieder raus. Meine Augen versuchen sofort die Augen des Arztes zu deuten, aber er lässt sich nicht in die Karten schauen und sagt, er muss es mit seinem Chef besprechen. So entlasse ich mich selber übers Wochenende ohne zu wissen, ob der Krebs schon durch meinen Körper wandert. 

Es ist ein blödes Gefühl, aber ich will heim, zu meiner Familie, meinen Freunden und mit allen zusammen das Endspiel Deutschland gegen Argentinien sehen. Also verlasse ich mein neues Zimmer im Krankenhaus, um noch einmal in mein altes Leben zu tauchen!

Wo ist er